Lauringer Geschichten
Die Bittprozession nach Thundorf heute
Wir schreiben das Jahr 2010
Heute nach über sechsig Jahren wollte ich es nochmals erfahren. War das wirklich so, wie ich es damals erlebt habe? Gibt es die Bittprozession immer noch? Deshalb, habe ich Irmintrud vor einigen Wochen in Stadtlauringen angerufen und sie konnte es mir bestätigen.
Ja die Prozession nach Thundorf findet immer noch statt und heuer ist es am 11. Mai um 18 Uhr. So haben wir uns einmal wieder auf den Weg nach Lauringen mal gemacht, um das frühe Kindheitserlebnis nochmals zu erleben. Würde dieser Kindheitstraum eine Entäuschung werden? Dieser Gedanke kam mir immer wieder in den Sinn während der vier Stunden dauernden Autofahrt.
Wir waren schon ein paar Tage vorher in Franken angekommen und hatten uns in dem kleinen, idyllisch gelegenen Nachbardorf Wetzhausen einquartiert. Das kam uns sehr gelegen, denn wir konnten vorher bereits ein wenig unsere Freunde und Bekannten treffen und besuchen, nicht zuletzt aber auch die altvertraute fränkische Landschaft zwischen Röhn und Steigerwald wieder mal neu erkunden, die so lieblich im frischen Maiengrün der Wälder und Wiesen und dem leuchtenden gelb der Rapsfelder erstrahlt.
Ankunftstag und Uhrzeit in Unterfranken waren minutiös eingeplant; denn an diesem Tag fand die Pilgerfahrt nach Vierzehnheiligen statt. Und so war es denn auch; die trafen aus Wermeringhausen gegen 14 Uhr bei stömendem Regen auf dem Marktplatz ein und nahmen nach einer kurzen Rast die große Schar der lauringer Pilger in ihre Reihen auf, um weiter zu ziehen. Unter ihnen auch der erste Bürger der Stadt, Friedel Heckenlauer, der selbstverständlich auch an der Wallfahrt teilnahm. Es regnete noch immer in Bindfäden als die letzten betend und singend in Richtung Sulzdorf verschwanden.
Zuvor hatte der Bürgermeister es sich aber nicht nehmen lassen, mit unserer prominentesten Klassenkameradin A.S. zu Mittag zu essen. Und sie hatte sich auch auf dem historischen, schönen, alten Marktplatz eingefunden, um beim Auszug der Pilger mit dabei zu sein. Zu Fuß ist man wie eh und je immer noch zwei Tage unterwegs nach Vierzehnheiligen; Alte und Kranke können mit dem Bus am Samstag nachkommen. Wir fuhren an diesem Morgen ganz früh mit unserem Auto nach Vierzehnheiligen, um bei der Ankunft der Pilger dabei zu sein, nahmen an der Pilgermesse teil und verbrachten dort den ganzenden restlichen Tag mit der Pilgergemeinde.
Nun aber zur Bittprozession nach Thundorf.
Es ging im Gegensatz zu früher nicht früh am morgen sondern erst am Abend los. Aber fast schien sich die Wetterszene zu wiederholen, denn kurz vor dem Abmarsch setzte ein solcher Wolkenbruch ein, dass keiner so recht an die Durchführung der Prozession glauben wollte. Doch Petrus war uns gnädig. Kaum fünf Minuten vor Beginn hörte es auf zu regnen und die frühe Abendsonne schaute etwas zaghaft wieder aus den Wolken.
Es wurde gebetet und gesungen, die gleichen Lieder wie damals und als dann auch noch das „Gottvater schau auf deine Kinder“ angestimmt wurde, lief es mir kalt den Rücken hinunter. Tatsächlich konnte ich die ersten Tränen nicht mehr aufhalten. Ist das Heimweh,die Erinnerung und Wehmut an eine vergangenen Zeit? Es war tatsächlich alles noch so wie damals.
Ach ja, diesmal war der Pfarrer auch dabei; der Weg ist inzwischen kein matschiger Feldweg mehr sondern eine asphaltierte Straße; die Brotzeit in Thundorf findet nicht mehr in der Wirtschaft respektive auf der Wiese statt sondern im Gemeindehaus der Pfarrei und auf dem Rückweg heim nach Stadtlauringen fehlte niemand, sodass das „Großer Gott wir loben dich“ beim Einzug mit allen Bläsern freudig gesungen wurde.
Was ich nach dem Segen im Anschluss an die Prozession nach einem plötzlich einsetzenden Gewitterregen erlebte, davon will ich der Vollständigkeit halber noch kurz berichten. Meine Frau, die in der kleinen Wirtschaft am Markt auf die Rückkehr der Prozession wartete, hatte erfahren, dass die Musik später noch in die Wirtschaft kommen würde, um ihren Durst zu löschen. Sie sei herzlich eingeladen nachher mit mir zurück zu kommen. Das Taten wir dann auch ganz spontan, nicht zuletzt um vor dem Regen zu flüchten, aber weil auch ich durstig und neugierig zugleich war. Bereits nach den ersten beiden Bieren wurde das Gespräch etwas lockerer. Diesmal war ich es, der die Fragen nach dem Warum und Weshalb beantworten mußte. So erzählte ich zum Schmunzeln der Zuhörer noch einmal meine Geschichte von der Bittprozession, an die sich einige sogar noch erinnerten konnten oder vom Hören-Sagen wußten. Bei so eifrigen Zuhörern konnte ich mich nicht mehr zurückhalten, um doch noch einiges aus vergangener Zeit zu erzählen.
Bis mit einmal Liederhefte verteilt wurden und wir sechs einschließlich Wirt in Begleitung zweier Bläser haben das ganze Liederheft durchgesungen. Während unseres Gesanges erinnerte ich an den Lehrer Anger von damals. Es wurde mir bestätigt, dass vor allem er es war, der durch seine Freude am Gesang mehr als eine Generation von Sängern aus den Lauringern gemacht hat. Wo die Lauer sanft sich windet, zwischen Wies und Bergeshöhn, ….. so lautet eines von ihm selbst in Melodie und Weise verfaßten Lieder.
Das war ein sehr herzliches Erlebnis in der kleinen Schenke am Markt und ich bin sicher für alle Beteiligten. Alles hat einmal ein Ende, doch kehrten wir an diesem Abend besonders vergnügt und zufrieden zurück in unser Urlaubsdomizil nach Wetzhausen.