noch ein kurzes Nachwort
und zunächst ein paar technische Details:
Mein Trekkingrad: ein Simplon-Nimbus-Pro mit kompletter XT-Ausstattung, Gewicht: 13,5 kg. Bis auf das Nachstellen des Umwerfers gab es am Rad keinerlei Reparaturen.
Mein „Minimalgepäck“, 2 Packtaschen, 1 Lenkertasche, 1 Packsack, darin Zelt, Schlafsack, selbstaufblasbare Liegematte, und immer 2 Liter Wasser dabei – Gesamtgewicht des Gepäcks 25 kg. Dazu eine Anmerkung: Nachdem ich am eigenen Leibe erfahren habe, wie angenehm es sich mit einer Radlerhose fährt, werde ich künftig nur noch eine lange und eine kurze Hose zusätzlich mitnehmen, das macht schon 1100 Gramm weniger aus.
2401 km habe ich abgestrampelt, 154 Stunden habe ich auf dem Sattel gesessen. Einen hohen Pass, den Lukmanier 1940 m und noch eine Handvoll kleinerer Pässe musste ich aufsteigen, oft nicht ganz einfach für mich. Insgesamt hatte ich bis Rom 6118 Steigemeter erklettert. .
Die Temperaturen lagen zwischen 7°C und 45°C, und nur an vier Tagen hat es geregnet
Ach ja, die Kosten: Für diese Tour habe ich einschließlich Rückflug 569 Euro ausgegeben. Das erscheint mir noch recht viel, aber ich gebe zu bedenken, dass die Campingplatzgebühren allein schon 50% der Gesamtkosten ausmachen.
mein neuer „Camino“ hat aber auch noch weitere Aspekte
Ich war aufgebrochen, um ein neues Ziel zu erreichen, ich habe diesen Weg in 19 Tagen in relativ kurzer Zeit geschafft. Jetzt, wo ich wieder zurück bin, denke ich ein wenig über den Sinn meiner Reise nach. Was hat mich an dieser Tour so begeistert? Was hat sie mir gebracht? Welche neue Erkenntnis habe ich gewonnen?
Dazu zum Schluss noch ein paar Gedanken:
die sportliche Herausforderung
Mit dem Verstand ist es kaum zu begreifen, welche Anstrengungen man da auf sich nimmt, um so eine Tour zu überstehen. Am Anfang, als ich losfuhr, war es ja noch ganz einfach. Ich hatte nach den ersten Hügeln hin zum Rhein zumindest für die ersten beiden Tage keine Berge zu überwinden. Das war für mich gewissermaßen eine Aufwärmzeit, bis ich in das Rheinhessische Hügelland kam und schon etwas kräftiger in die Pedale treten musste. Danach gab es bis in die Innerschweiz keine größere Herausforderung mehr. Unweit hinter Chur jedoch, bei Bonaduz, wo Vorderrhein und Hinterrhein zusammenfließen, da musste ich mich zum ersten Mal regelrecht ins Gebirge hochschrauben und mir ging manchmal sprichwörtlich die Puste aus. Fünfhundert Höhenmeter auf einmal zu bewältigen sind schon ein gute Tagesleistung für mich. Als ich dann aber am nächsten Tag rund 1000 Höhenmeter zu bewältigen hatte und das auch noch bei strömendem Regen, da war ich wirklich fast an meiner physischen Leistungsgrenze angelangt. Und doch treibt es einen weiter, den Regen spürte ich völlig durchnässt schon lange nicht mehr. Unbeschreiblich die Freude als ich, am Pass angekommen, das Hospiz vor mir liegen sehe und mich dort bei einem Mittagessen und einem Kaffee ein bisschen aufwärmen kann. Danach wieder hinaus in den schneidend kalten Regen, meine Lenkstange zitterte mit mir vor Kälte, während der 40 km langen Abfahrt. Die Pässe danach, etwa bis 600 Meter hoch waren bei weitem leichter, weil es ja warm und trocken war. Ich hatte am Lukmanier ja schon mein Lehrgeld bezahlt. Jan Ulrich schafft 3000 Höhenmeter an einem Tag, aber der hat keine 25 kg Gepäck dabei, ist kaum halb so alt wie ich, und bekommt dazu noch Speis und Trank nachgetragen. Daran habe ich unterwegs öfters gedacht und mich selbst getröstet.
das Wasser als Lebensquelle
– Meinen Gedanken vom Wasserlauf als menschlichen Lebensweg will ich nochmals aufgreifen(siehe 10. Tag). Die römischen Brunnen haben mich derart fasziniert und wiederum daran erinnert. So ein Brunnen ist ja auch wie eine Momentaufnahme so wie ein kurzer Lebensabschnitt, den ich da verfolgen konnte. Vom Emporsprudeln hoch oben, dem wieder Herabfallen, dem Aufgefangen-Werden, dem sich Ergießen von einer Lebensschale in die Nächste und schließlich dem Verschwinden scheinbar im Nichts, weil das Auge und der Verstand nicht begreifen kann, welchen Weg das Wasser nimmt.
die Pilgerreise eine Frage des Glaubens
– Nach den Exzessen der vergangenen Jahrhunderte, ich meine die „Abzocke“ der Pilger durch Peterspfennig und Ablassgeld, hat das Fern-Wallfahren heute eine Wiedergeburt, ja sogar eine neue Dimension erlangt. Nach Santiago de Compostela zu pilgern, ist derzeit schon sehr populär. Aber auch eine Romfahrt wird in Zukunft mehr und mehr an Bedeutung gewinnen, weil die Menschen auf der Suche nach neuen Lebensinhalten sind. Pilgern ist keine gedankenlose Glaubensübung, es liegt darin vielmehr eine gewisse Ernsthaftigkeit statt Heiterkeit, Zielstrebigkeit statt Müßiggang, Ehrgeiz statt Entspannung. Unterwegs stellte ich mit Erstaunen fest, wie sehr uns alle das christliche Abendland geprägt hat. Manch einer möchte es gar nicht wahrhaben, und so wird es dem einen mehr dem andere weniger bewusst, dass er sich auf seiner eigenen Lebens-Pilgerreise befindet, die zeitlich begrenzt ist. Der Weg ist das Ziel, heißt es beim Pilgern, das Ziel ist aber auch der ganze Weg; nicht nur eine abstrakte Metapher?
die Begegnungen mit den Menschen
– Dennoch musste ich weder Freude noch Fröhlichkeit unterwegs entbehren. Ich bin vielen Menschen begegnet, jungen und alten, gesunden und gebrechlichen, mit ihnen habe ich gesprochen, gelacht, gegessen, getrunken und sogar gesungen. Vielen bin ich näher gekommen, weil einfach das Verständnis füreinander da war. Mit einigen ist sogar eine Freundschaft entstanden; die Zeit wird erweisen, ob sie von Dauer sein wird. Oftmals habe ich diese einzigartige Herzlichkeit erfahren, die den Italienern eigen ist; es liegt wohl auch daran, dass sie das Herz auf der Zunge haben.
Architektur: Kirchen, Klöster, Paläste, Kathedralen, Begegnung mit der Antike
– Etwas ganz Besonderes war es für mich, auf meiner Reise diese herrlichen Bauwerke zu erleben. Es begann schon in Köln, setzte sich fort in Worms, Speyer und Straßburg. Ich meine die großen gotischen und spätromanischen Kathedralen. Aber auch die Kirche in Ottmarsheim, im südlichen Elsass, zählt zu den Kleinodien auf meiner Fahrt. Dann in Italien erinnere ich besonders an Pisa. Natürlich war Rom der große Höhepunkt. Mit unermesslicher Freude, besuchte ich all die vielen historischen Stätten, all die prächtig ausgestatten Kirchen. Immer wieder muss ich daran denken, welche Fertigkeit, Ausdauer, Opferbereitschaft und letztlich auch welchen Glauben die Menschen damals gehabt haben müssen, um solche Werke zu Stande zu bringen. Es sind Bauwerke von eindrucksvoller Aussagekraft und Harmonie, wie sie in unserer heutigen schnelllebigen Zeit, ich wage es zu sagen, nicht wieder entstehen werden. Ein weiteres bauliches Highlight war die Begegnung mit dem römischen Altertum, vor allem die Via Appia und Ostia-Antika. Wie oben schon beschrieben, war ich der Antike so nahe, dass ich glaubte, ich sei in diese Zeit zurückversetzt.
Mitten auf dem Petersplatz um den Obelisk herum gruppieren sich, in dem weiten Rund einer Windrose, sechzehn Medaillons mit den Gesichtern und Namen der Winde, aus allen Himmelsrichtungen. Vier davon zeige ich hier in einer Fotomontage. Ich frage mich unwillkürlich: „Woher weht der Wind?
Ich für meinen Teil habe den Geist Gottes gespürt in der Begegnung mit den Menschen: den Jungen und den Greisen, den Kranken und den Gesunden, den Armen und den Reichen, den Glücklichen und den Elenden, den Gläubigen und den Atheisten aus vielen Ländern der Erde.
Mit dieser Erkenntnis bin ich nach einer „Odyssee“ von 33 Tagen glücklich und zufrieden wieder heimgekehrt. Und bin froh, wieder gesund zu Hause angekommen zu sein.