Dienstag 09. August 05
Fonteblanda – Orbetello – Tarquinia – Civitavecchia – Ladispoli
Fahrzeit 7:17 h – Tages-km 112 – Gesamt-km 1829 – Temperatur 22-32°C
– erkletterte Höhenmeter 6029 m
en.Tatsächlich werde ich von meiner inneren Uhr rechtzeitig gegen 6:45 geweckt. Ich packe meine sieben Sachen zusammen und steige samt Gepäck und Rad über den Marokkaner hinweg, der von alle dem nichts merkt und seelenruhig weiterschläft. Schnell bin ich fahrbereit, und schiebe mein Rad kurz nach sechs auf den Holzplanken entlang zum Ausgang des Strandgeländes, wo ich nun draußen mein Frühstück bereite. Während der feuerrote Sonnenball vor mir aufgeht, kommt mir wieder dieser Lebenskünstler von gestern in den Sinn. Eigentlich ein schönes, sorgenfreies Leben dazu ist er noch gesund und zufrieden. Dennoch würde ich zögern, mein Leben mit dem seinem zu tauschen. Wahrscheinlich würde ich all die schönen, angenehmen Lebensgewohnheiten zu Hause bald sehr vermissen.
Hier unweit von Fonteblanda zeigt der Wegweiser nur noch 155 km bis Rom, Ronando meinte dazu gestern, normalerweise könne ich es heute bis Rom schaffen. Aber ich denke mir, es ist besser, wenn ich irgendwo kurz vor Rom mein Zelt aufstelle. Dann komme ich zwar erst am Donnerstag, aber dafür früh am Morgen an, dann finde ich bestimmt besser eine Unterkunft. Ich bin jetzt mitten in der Maremma, das ist der Küstensteifen zwischen Grosetto und Tarquinia, ein Naturschutzgebiet in einer Wildnis aus trocken gelegten Sümpfen, ein Dorado für Botaniker und Jäger gleichermaßen. Die Pflanzenwelt hat sich dem salzigen Sandboden bestens angepasst. Büffel liefern Mozzarella, Wildschweine, die den vorzüglichen Schinken aus dieser Gegend geben. Allerdings habe ich selbst keines dieser Tiere gesehen.
Man gewöhnt sich an alles, auch an den regen Berufsverkehr zur „rashhour“ auf dieser Autostrada. Da kann ich gleich das Gelernte in die Praxis umsetzen und merke schnell, tatsächlich die Kommunikation mit den übrigen, viel schnelleren Verkehrsteilnehmern funktioniert ausgezeichnet.
Irgendwo zwischen Montalto di Castro und Tarquinia, lehne ich mein Rad an eine schwarzweiße Bake, um ein wenig auszuruhen, als mein Rad sich plötzlich selbständig macht und in den seitlichen Betongraben rollt. Das war nicht weiter schlimm, denn es gab nicht mal einen Kratzer, – die Packtaschen polstern alles gut ab. Nur ist das Herausschieben mühsam. Gerade in dem Augenblick will mir ein vorbeifahrender Radfahrer zu Hilfe kommen. Danke, das schaffe ich schon, sage ich nur und er zieht weiter. Nach ein paar Kilometern treffe ich ihn im Schatten eines Baumes. Um sich auszuruhen? Nein er wartet auf zwei Begleiterinnen. Fernando und seine beiden Freundinnen, so erzählt er mir, kommen aus Madrid. Sie sind zunächst mit dem Zug bis Nizza, dann mit dem Rad der französischen und der italienische Küste entlang bis hier her gefahren und genau wie ich auf ihrer Pilgerreise nach Rom. Wir unterhalten uns noch eine Weile, während zwischenzeitlich auch die beiden Mädchen eintreffen. Eine von ihnen ist völlig erschöpft, und hat offensichtlich große Schmerzen am Knie. Ich bleibe noch eine Zeit, dann mache ich mich wieder auf den Weg. So unverhofft vom der italienischen in die spanische Sprache zu wechseln fällt mir im ersten Augenblick recht schwer, aber die Spanier verstehen ganz gut Italienisch und wir haben uns ohnehin von vorne herein ganz gut verstanden.
Kurz vor Tarquinia komme ich an die denkwürdige Kilometermarke „100 km“ bis Rom, das muss gefeiert werden. Darum erlaube ich mir in der nächsten Raststätte ein Mittagessen und ausnahmsweise 1/2 Liter Wein. Vielleicht nicht so ganz OK bei der Hitze, aber wenn ich nachher eine längere Pause mache!!! Nachher, beim Verlassen des Lokals, habe ich erneut ein nettes Gespräch mit einer italienischen Familie aus Mailand. Doch drängt es mich zur Weiterfahrt, und das fällt nun doch recht schwer. So wundert es nicht, dass ich bis Civitavecchia etwas länger brauche. Im Norden der Stadt fahre ich zunächst vorbei an einem weiträumigen Hafengelände, dann folgt der eigentlichen Stadtkern und im Süden schon wieder außerhalb der Stadt reiht sich ein Badebucht an die andere.
Knapp 20 km fahre ich noch der Küste entlang, bis mein Weg ganz unmerklich nach Südosten abbiegt, und geradewegs Kurs auf Rom nimmt. Es ist schon wieder Abend geworden und ich muss mich um eine Übernachtungsmöglichkeit kümmern. Einen Campingplatz, nein das gibt es hier bei Ladispoli weit und breit nicht, so muss ich mich um einen geeigneten Platz kümmern. Mal wieder erreiche ich über eine Seitenstraße einen Feldweg ein Anwesen mit ein paar Häusern. Ich stehe am Tor eines weitläufig eingezäunten Grundstücks und schelle schon mit einem recht unguten Gefühl, denn ein paar scharfe Hunde bellen mich hinter dem Tor zähnefletschend an. Der Hundebesitzer kommt zu mir. Als ich ihm mein Anliegen vorbringe, verneint er bedauernd, ich sehe ja selbst, dass es mit den Hunden unmöglich sei, ich solle es doch gegenüber mal bei dem Winzer probieren, der hätte gewiss Platz genug. Da gehe ich also hinüber und finde ihn beim Beschneiden der Reben. Kein Problem sagt er mir, ich fahre heute Nacht zwar nach Hause, aber hier ist ein Tisch, eine Bank, ein Wasserkran und sogar eine Dusche bestehend aus einem Gieskannenkopf mit einem Schlauch darin. Und wenn es regnen sollte, könne ich mich immer noch in den Schuppen da gegenüber flüchten, der Schlüssel steckt.
Mein Zelt ist aufgestellt, meine Wäsche gewaschen und aufgehängt, nun will ich gerade mit der Essenszubereitung beginnen, da kommt die Frau des Hundebesitzers zu mir herüber, und bietet mir in einer Plastikdose ein leckeres, warmes Essen an: Kotelette, Bratkartoffel, etwas Salat, zum Nachtisch ein paar Pflaumen. Während Sie mir das überreicht entschuldigt sie sich nochmals mit vielen Worten, dass sie mich unmöglich aufnehmen konnten. Ich bin aufs Äußerste gerührt: „Solch eine Freundlichkeit habe ich noch nie erlebt,“ sage ich ihr, fast wäre ich ihr um den Hals gefallen. Ich, ein Nordeuropäer habe da ein wenig Hemmungen, mich so emotional zu äußern, aber ich bedanke mich doch ganz herzlich für diese Wohltat.
Noch lange sitze ich hier draußen am Tisch und schreibe auf im Schein meiner Taschenlampe, was ich heute erlebt habe. Ganz nebenbei, bevor ich mich in mein Zeltchen verkrieche, – es ist schon stockdunkel, – habe ich mich doch noch unter diese Luxusdusche gestellt. Das Wasser in dem endlos langen Schlauch war sogar von der Tageshitze noch ausreichend warm.