Freitag 09.07.04
von Le Barp nach Saint Paul les Dax
– Fahrzeit 7,75h – Wegstrecke 119km – Summe 1209km – Temperatur 11 – 24°C
Erschöpft vom gestrigen Regentag, bin ich zwar früh ins Bett gefallen, aber dennoch um viertel nach fünf schon wieder auf den Beinen. All das nasse Zeug ist dank der Heizung wieder trocken zum Einpacken. Um viertel vor sieben kann ich abfahren, nachdem ich, wie vereinbart, den Schlüssel in den Briefkasten der Mairie geworfen hatte. Zwar hängen die Wolken immer noch tief aber es sieht gar nicht so schlecht für heute aus. Ich muss halt sehen, dass ich bald über die Pyrenäen komme, dann wird das Wetter erfahrungsgemäß stabiler und in den ersten beiden Stunden geht es auch tatsächlich noch gut. Heute folgt also zumindest rein mathematisch der zweite Teil meiner Reise. Was die Architektur betrifft, so sind „Les Landes“, – so heißt diese Region hier, – eher eine Durststrecke, denn sie ist nicht so reich ausgestattet, wie das etwa in den vergangen Tagen der Fall war. Dafür zeigt sich die Natur aber von ihrer schönsten Seite, es ist eine einsame wunderschöne Heide – Wald – Landschaft mit vielen bunten Blumen und schattigen frischen Wäldern. Erholsam da hindurch zu radeln, aber auch das hat eine „Schattenseiten“, denn ich muss nun eine längere Zeit einem Wirtschaftsweg folgen, der haargenau parallel zur Autobahn verläuft. Nicht ganz so prickelnd, denn ein solcher Lärm schallt von der nahen „autoroute“ her, dass ich mein eigenes Wort nicht verstehe, je nach dem, wie der Wind steht, oder besser auf welcher Seite der Schnellstraße ich gerade fahre. Apropos Wind, der ist stets und ständig da, immer seitlich von Westen (von rechts) Ich halte ein Stoßgebet zu St. Jakobus, ob er das nicht für mich ändern kann. Und tatsächlich nach einer Weile hört der Wind auf, aber dafür schüttet es mal wieder aus allen Himmelskanälen und das in regelmäßigem Rhythmus von jeweils einer halben Stunde, mal Regen mal Sonnenschein. Wenn ein Regenbogen sichtbar wird bevor es geregnet hat, heißt das entweder schnellstmöglich einen Unterstand suchen oder, wenn nicht vorhanden, umgehend die Schutzkleidung anziehen.
Ein für alle mal habe ich daraus gelernt, denn weil ich nicht darauf achtete, war ich diesmal in wenigen Minuten klatschnass bis auf die Haut. Tatsächlich aber war es heute der letzte Regentag unterwegs auf meiner ganzen restlichen Tour. In Labouheyre ziehe ich auch endgültig mein Regenzeug aus und wechsele komplett frische, trockene Kleider, eine Wohltat. Endlich auch wieder Stille, der Weg führt durch verträumte Pinienwälder. Es ist so einsam, dass unmittelbar vor mir gar nichtin Eile ein Rudel Rehe meinen Weg kreuzt. In Taller muss ich mich entscheiden. Hier gibt es eine Pritsche in einem Mehrzweckraum für heute Nacht oder ich fahre noch 18 km weiter bis nach Saint Paul les Dax, dort ist eine Pilgerherberge. Ich entscheide mich für die zweite Möglichkeit, weil ich da ein wenig mehr Komfort vermute. Und wirklich, über das Office de Tourisme finde ich den Weg zum Pfarrhaus, wo man mir den Schlüssel zur Herberge überreicht.
Ein nett eingerichtetes Zimmer ganz für mich allein, ausgestattet mit vier Betten, einer warmen Dusche, einem WC. Als ich vom Einkauf zurückkomme, wartet vor der Tür bereits der „Herbergier“, – das ist ein Mann der unentgeltlich für ein gewisse Zeit sich um die Pilgerherberge und die Gäste kümmert, -. auf meine Rückkehr, um mich zu begrüßen und willkommen zu heißen. Wir reden noch eine Zeit lang miteinander, während ich mit der Zubereitung meines Abendessens beginne. Gekocht habe ich heute ganz vorzüglich auf meinem kleinen Campinggas – Kocher: Reis, Hühnerfleisch und Erbsen dazu Weißwein, danach Käse und Brot, zum Nachtisch eine halbe Honigmelone. Ein Earl Grey Tee bildet den krönende Abschluss. Nach dem Essen mache ich noch einen kleinen Spaziergang. Von der nahen Pfarrkirche ist erwähnenswert, dass der neuere Teil der Kirche vortrefflich in dem alten romanischen Teil, das sin Chor und Apsis, integriert wurde. Die Aussicht für morgen: die Berge der Pyrenäenausläufer rücken näher, es sind ja nur noch 90 km bis Saint Jean Pied de Port, der Ausgangspunkt für viele Fußpilger dort, wo eine der schwierigsten Etappen des ganzen Pilgerweges beginnt, gleich vor dem Pyrenäenpass Puerto de Ibaneta. Bei dem Gedanken an das morgige Etappenziel schlägt das Herz schneller, denn im vergangenen Jahr habe ich da meine Pilgerreise begonnen. Ob ich es morgen bis dahin schaffen werde?. Bis zum heutigen Tag habe ich durch ganz Frankreich etwa 3000 Steigungsmeter überwunden, das ist zwar nicht sonderlich viel im Verhältnis zur Wegstrecke aber mir reicht’s.