Mittwoch 27. Juli 05
Altrip – Speyer – Lauterbourg (F) – Gambsheim
Fahrzeit 8:30 h – Tages-km 134 – Gesamt-km 482 – Temperatur 19-41°C – erkletterte Höhenmeter 822 m
Ich bin schon wieder früh auf den Beinen und in einer knappen Stunde schon in Speyer. Manch einer dreht sich in dieser Morgenfrühe nochmals im Bett herum und die Domkirche wird gerade erst geöffnet. Das Gotteshaus braucht den Vergleich zu Worms nicht zu scheuen, subjektiv gesehen finde es sogar noch prächtiger. Die mächtige dreischiffige Basilika ist noch größer und filigraner, mit vier gleichen Türmen auf quadratischem Grundriss ausgestattet je zwei im Osten und im Westen, gleichsam die kirchliche und die weltliche Macht symbolisierend. Die Vierung krönt eine mächtige oktogonale Kuppel. Die Vorgängerbauten dieses Kaiserdomes reichen bis in das 7. Jahrhundert zurück, ist also auch historisch gesehen bedeutender als Worms.
Landschaftlich gesehen ist es heute der bisher schönste Tag; auf dem Radwanderweg Rheinaue findet man Natur pur. Der Weg führt unterhalb des Hochwasserschutzdeiches durch eine wald- und auenreiche Gegend. Weitab vom Lärm der Zeit begegne ich gelegentlich Radwanderern, mit denen ich manchmal ein paar Worte wechsele.
Das Thermometer meines Radcomputers ist um die Mittagszeit inzwischen auf 42°C geklettert, der bisher heißeste Tag, da kommt der Wald als Schattenspender gerade recht. Dennoch geht es nach der Mittagspause so zügig weiter, dass ich schon wenig später bei Lauterbourg die französische Grenze passiere. Hier beim Office de Tourisme lasse ich mir nach Art der Santiago-Pilger einen Stempel in mein Notizbuch geben. Dieses Vokabelheftchen ein Tagebuch zu nennen, wäre übertrieben, aber ich mache mir doch täglich ein paar Notizen, um mich später zusammen mit den Fotos besser erinnern zu können. Im Informationsbüro werde ich reichlich mit detailliertem Kartenmaterial für Radwanderer ausgestattet. Auch bekomme ich eine Flasche frisches Wasser geschenkt, damit ich unterwegs, so sagen sie, nicht verdurste, weil es heute gar zu heiß ist. So ausgerüstet kann ich Richtung Straßbourg weiter ziehen.
Spontan fällt mir das alte, traurige Straßburger Soldatenlied ein und fange an zu singen:
Oh Straßburg, oh Straßburg du wunderschöne Stadt,
darinnen liegt bergraben so manicher Soldat.
So manicher, auch schöner und tapferer Soldat,
der Vater und lieb Mutter böslich verlassen hat.
Verlassen, verlassen, es kann nicht anders sein,
zu Straßburg ja zu Straßbourg, Soldaten müssen sein.
Der Vater, die Mutter, die gingen vors Hauptmanns Haus:
Ach Hauptmann, lieber Hauptmann, gebt uns den Sohn heraus.
Euern Sohn kann ich nicht geben für noch so vieles Geld,
euer Sohn und der muss sterben im weiten, breiten Feld.
Im weiten, breiten all vorwärts vor dem Feind,
wenn gleich sein schwarzbraunes Mädel so bitter um ihn weint.
Sie weinet, sie greinet, sie klaget all zu sehr,
„Gut Nacht mein herzlieb Schätzel, ich seh dich nimmermehr“.
Grausam, dieses Lied, bleibt nur zu hoffen, dass so etwas zumindest in unserem vereinten Europa nie wieder vorkommt.
Abendessen in Drusenheim beim Döner, dazu muss ich den Radweg verlassen und ein Stück in westliche Richtung fahren, erreiche nun die „route départementale,“ auf der ich in Gambsheim den nächsten Campingplatz ansteuere. Hier treffe ich auch eine Radfahrergruppe wieder, der ich vor ein paar Stunden auf dem Radweg begegnet bin und stelle neben ihnen mein Zeltchen auf. Es sind noch ungefähr 15 km bis Straßbourg, morgenfrüh ist das nur noch ein Katzensprung und wenn ich ganz gut drauf bin, könnte ich tatsächlich am späten Abend Basel erreichen. Ein großer Vorteil wäre das für mich; ich könnte übermorgen in Basel einen ersten Ruhetag einlegen, und wäre am Samstag für die vorgesehene längere Wegstrecke gut ausgeruht.