Samstag 10.07.04
von Saint Paul les Dax nach Saint Jean Pied de Port
– Fahrzeit 7,00h – Wegstrecke 91km – Summe 1300km – Temperatur 16 – 27°C
Es fing heute gleich gut an. Um 5:15 Uhr aufgestanden, den Schlüssel vor der Abfahrt in den Briefkasten geworfen, 6:45 Uhr Abfahrt, zunächst durch Saint Paul und unmittelbar dahinter die Stadt Dax selbst. Da zu dieser Schlafenszeit noch kein Mensch auf den Beinen, gibt es auch keinen größeren Verkehr auf den Straßen, die Ortsdurchfahrt ist ein Kinderspiel und ich folge immer dem Schild nach Peyrehorade. Erst viel später merke ich, ich bin nicht auf der D29 wie vorgesehen sondern auf der verkehrsreicheren D6. Was macht’s, dann komme ich halt nicht wie beabsichtigt durch Cagnotte. Hier in Peyrehorade ist der Fluss Pau, kaum 30 km vor seiner Mündung in in den Atlantik schon recht breit und behäbig.
Ich überquere den Fluss bei einem wehrhaften Schloss, und muss nun meinen rechten Weg sprichwörtlich wie eine Stecknadel suchen. Ich weiß, es ist ein ganz kleiner Weg links ab. Nach dem dritten Versuch finde ich ihn schließlich und ich bin auf der D48 Richtung Saint Palais, wieder ganz alleine, als wäre die Straße heute nur für mich reserviert. Über einen Höhenrücken jetzt schon mit längeren Steigungsstrecken komme ich ins Tal der Bidouze und da entlang nach Saint Palais.
Zum ersten mal der Hinweis nach Saint Jean Pied de Port, da wächst die Stimmung, vielleicht noch 30 km schätze ich. Mittagessen mal wieder vor einer Kirche, weil es da wie so oft eine Bank gibt, wenig später die Auberge bei den Franziskanern, zwar verlockend, dort die Tagesetappe zu beenden, denn die Unterkunft wirkt sehr einladend, aber schließlich kann auch das mich nicht mehr aufhalten. Ich habe keine Ruhe mehr, ich muss zu meinem heutigen Ziel . Beim Verlassen von Saint Palais, schon steil bergauf, eilt mir ein Mann aus seinem Haus entgegen.
Er hat mich schon längst als Pilger erkannt und er gibt mir bereitwillig einige nützliche Informationen für die Weiterfahrt mit dem Rad. Vor seiner Hofeinfahrt hat er ein paar Pilgerzeichen aufgehängt. Santiago 849 km. Die Stele von Gibraltar liegt hoch an einer Bergkuppe (275 m) und bezeichnet die Stelle an der sich drei Pilgerwege vereinigen.
Außer meinem Weg über Tour stoßen hier noch die beiden anderen von Vézelay und Le Puy aufeinander. Der Name Gibraltar hat nichts mit dem Berg an der Südspitze Spaniens gemeinsam, (der kommt aus dem arabischen und bedeutet Jebel al Tar = Berg des Tar). Dieser Name hat vielmehr einen Bedeutungswandel erfahren und wird aus dem Baskischen Wort Chabaltore = Saint Sauveur = Salvator = Retter abgeleitet. Von hier aus sieht man zum ersten Mal die Silouhette der Pyrenäen heute jedoch in ein dickes aufsteigendes Wolkenpaket gehüllt, das verheißt aber gutes Wetter. Es geht wieder Abwärts und noch einmal steil bergauf, dann gelangt man schon in ein Seitental der Nive, und endlich, endlich ist die wichtige Etappe erreicht. Saint Jean Pied de Port, es läuft mir kalt den Rücken hinunter, weil ich genau an der Stelle vorbei komme, an der ich mich im vergangenen Jahr noch ein letztes Mal umgedreht hatte und dabei dachte, ob ich das jemals wieder sehen werde?
Wer meinen Bericht vom letzten Jahres gelesen hat, weiß, dass ich auf der Rückfahrt mit dem Auto knapp eine viertel Stunde nach dem später den fatalen Unfall, einen Totalschaden hatte. Aber das ist nun Vergangenheit; heute bin ich ganz sicher, es war Sankt Jakobus, der dafür sorgte, dass das ohne jede Schramme für mich ausging. Ich betrete das Städtchen, und fühle mich bereits wie zu Hause. Beim Pilgerbüro melde ich mich und werde freundlich begrüßt; bekomme eine Herberge zugeteilt und erfahre wieder wichtige Hinweise für meinen weiteren Weg durch Spanien. Überall ein reges Treiben ankommender und weiter ziehender Pilger, zu Fuß, mit dem Rad, ja sogar zu Pferd, oder mit dem Esel, auch mit dem Zug oder Bus treffen sie hier ein. Morgen früh, nach dem Aufstehen, werde ich dem Trubel schnell entrinnen um wieder alleine zu sein. Mit einem Spaziergang durchs Städtchen und einem Fotoshooting beende ich den Tag.