Samstag 03.07.04
von Pussigny nach Poitiers
– Fahrzeit 6,32 h – Wegstrecke 84km – Summe 775 km – Temperatur 10-32°C
Madame hat mich eingeladen. …und wegen der frühen Morgenstunde brauche ich mir auch keine Sorgen zu machen, sagte sie mir, denn sie sind es gewohnt, täglich ohne Ausnahme sehr früh aufzustehen. Die Ziegen müssen früh am Morgen gemolken werden und lieben einen sauberen Stall. Es gab noch einiges zu erzählen und so war es schließlich beinah acht Uhr, als wir uns schließlich ganz herzlich von einander verabschiedeten. Sorge macht mir immer noch das rhythmische Schleifen an meinem Hinterrad. Obwohl ich schon alle Tricks probiert habe, nichts hat bisher geholfen. Während ich wiederholt mein Rad inspiziere, fängt es mit mal an zu regnen. Gerade eben habe ich mein Regenzeug parat, da brauche ich es auch schon nicht mehr und ich kann mit meiner Vliesjacke weiterfahren bis mir, am Stadtrand von Châtellerault angekommen, auch das zu viel ist, weil mir die Sonne dermaßen zu Leibe rückt, dass ich nur noch im T-Shirt weiterfahre. Ich kaufe ein Baguette und habe einen kurzen Plausch mit der Bäckersfrau im Laden. Im Zentrum angelangt, eine kleine Ortsbesichtigung.
In der église Saint Jacques erkenne ich die Jakobus-Statue wieder, die ich als Bild bereits vor dem Tor von Dr. Brossollet in Saint Prest gesehen hatte. Im Büro des Presbytère bekomme ich auch noch den Stempel für mein Crédancial. Wenig später Zwischenmalzeit auf dem Bahnhofsvorplatz und weiter geht es in Richtung Poitiers. Ein Fahrradhändler am Ortsende verhilft mir endlich zur Lösung meines Problems: Vier Speichen meines Hinterrades haben sich bereits bedenklich gelockert, da hätte nicht mehr viel bis zum Speichenbruch gefehlt, sagt er mir und ich freue mich, dass ich endlich fachmännische Hilfe bekomme. Obwohl er nur wenig Zeit hat, hilft er mir dennoch, den Fehler in kurzer Zeit und für nur für fünf Euro zu beheben. Seitdem hatte ich endlich Ruhe für den Rest der Tour. Der guide de pèlerin, den mir Nadine geschenkt hat, ist mir sehr hilfreich. Seit Tours habe ich nun eine exakte Wegbeschreibung und außerdem kann ich gleich alle Sehenswürdigkeiten nachlesen. Unterwegs folge ich einem einsamen Pilgerweg und mache kurz hinter La Varenne irgendwo im Schatten eines verschlossenen Gehöftes meine Mittagsrast. Als ich später ich meinen Weg fortsetze, mache ich die Erfahrung, dass ich als Radfahrer nicht mehr weiter komme, weil der Feldweg für mich unpassierbar wird. Also muss ich wieder mal auf einem Umweg über Dissay zurück zur D4, der befestigten Straße.
Ich komme vorbei an einer historischen Stelle, da wo vermutlich im Jahre 732 die entscheidende Schlacht zwischen Christentum und Islam unter Karl Martell und Abd Ar Rahman geschlagen wurde. Durch diesen Kampf wurden die Mauren endgültig daran gehindert, weiter nach Westeuropa vorzudringen.
So komme ich allmählich meinem Tagesziel Poitiers immer näher. Unterwegs bitte ich irgendwo um Wasser, um meine Trinkflasche aufzufüllen und erhalte wieder mal eine neue Flasche gratis im Austausch. Die Altstadt von Poitiers liegt auf einer steilen Bergkuppe, die von dem Flüsschen Clain wie eine Halbinsel umschlungen wird. Der Aufstieg hinauf hat sich gelohnt, denn ich finde da oben einen harmonisches altes Stadtzentrum mit zwei sehr schönen Sakralbauten.
Es sind dies die romanische Basilika Notre-Dame-la-Grande ganz oben auf der Kuppe und die Kathedrale Saint Pierre etwas tiefer gelegen. Die Stadt ist gewiss auch einen weiteren Besuch wert. Etliche Kilometer südlich der Stadt versuche ich eine Adresse der Jakobsbruderschaft zu finden, Madame Geneviève Thomas, 16 rue des Fauvettes. Doch ist der Weg dahin vergeblich, weil ich niemanden zu Hause antreffe. Also radle ich wieder ins Stadtzentrum zurück und greife auf die nun schon bewährte Möglichkeit zurück. Allerdings ist der Campingplatz ausgerechnet ganz im Norden am anderen Ende der Stadt und liegt noch dazu auf einem steilen Berg. Unweit meiner Bleibe für diese Nacht gibt es immerhin einen Intermarché. Da sitze ich nun um 21 Uhr im 1. Stock bei einer Riesenpizza und schaue auf den leeren Parkplatz, nur mein Rad steht da unten an einen Einkaufswagen angekettet. Ich halte es gut im Auge, während ich zum Essen genüsslich meinen halben Liter Weißwein trinke. Morgen wird es weiter gehen immer weiter Richtung Süden.