Sonntag 27.06.04
von Tortequesne nach Ailly s. Noye
– Fahrzeit 6,3h – Wegstrecke 91 km – Summe 204km – Temperatur 15-24°C
Es hat die ganze Nacht in Strömen geregnet und weil mein Zelt unter einer dicht belaubten Linde steht, werde ich bereits um viertel nach fünf von dicken, prasselnden Regendtropfen geweckt. Es regnet nicht mehr, als ich hinaussehe, aber alles ist in morgendliche Nebelschwaden gehüllt, doch es sieht aus als wolle es ein schöner, sonniger Tag werden. Außer dem Krähen der Hähne vom nahen Dorf und dem Vogelgezwitscher ist sonst kein Laut zu hören. Mensch und Tier schläft halt noch an diesem beschaulichen Sonntagmorgen.
Nach dem Duschen und einem Frühstück mit Kakao packe ich meine Sachen und bin um sieben startklar. Es geht weiter südwärts. Hier hoch im Norden Frankreichs muss ich mir mühsam den Weg selber suchen, besonders, weil ich mir möglichst kleine, unbelebte Straßen ausgesucht hatte. Weder Pilgermuschel noch gelber Pfeil, die mir den Weg weisen könnten. Die Wolken hängen mit mal bedrohlich tief, es fallen aber nur ein paar Tropfen, gerade hole ich meinen Regenschutz heraus, da sind die dicken Wolken vom Wind vertrieben und die Sonne kommt zum Vorschein.
In Bapaume werde ich von einem Glockenspiel begrüßt…. „Jesus meine Freude“ und ich summe im Vorbeifahren ganz freudig mit. Ich bin im Gebiet der Somme angekommen. Viele lang gezogene Aufs und Abs. An unzähligen Soldatenfriedhöfen aus dem ersten Weltkrieg fahre ich vorbei. Und denke dabei, wie sinnlos dieser Krieg doch war, eine der großen Menschenschlachten, die es jemals auf der Welt gab. Vielleicht hat er schließlich doch zur Einheit Europas beigetragen. An einem Memorial bei Pozière lege ich eine Pause ein. Meiner Bank gegenüber sehe ich ein Loch, halb zerfallen, ein unterirdischer Gefechtsstand. Ich habe den Eindruck, dass es hier noch immer nach Vergänglichkeit und Verwesung riecht. Ein traurige Stille und i mmer noch keine Menschenseele an diesem Morgen.In der weiten leicht hügeligen Landschaft unendlich anmutende Felder auf denen Mais, Weizen, Roggen, Erbsen, Zuckerrüben und Flachs angebaut werden
Gegen elf läuten mir die Glocken von einem goldenen Turm entgegen. Es ist die Basilika von Albert, die mich zur Sonntagsmesse einlädt, und es ist heute eine besonders feierliches Hochamt, eine Erstkommunionfeier. Nach der Messfeier frage ich im Présbytere nach einem Stempel, den mir M.le curé bereitwillig in mein Credenal drückt. Gegen 12:30 fahre ich weiter bei strahlendem Sonnenschein. Es ist fast schon ein wenig zu heiß.
Mein selbst gefertigter, 54-seitiger Fahrplan aus dem Programm Autoroute hat sich bisher bestens bewährt. Ich kann mich auch im Zweifelsfall bestens nach ihm orientieren, auch, wenn ich meine, es sei die falsche Richtung. Gelegentlich nehme ich doch die Karte zu Hilfe aber nach dem Weg fragen musste ich bisher nur selten.
Mit der Selbstverpflegung klappt es im Augenblick noch ganz gut, ich habe ja noch vom Mitgenommenen. Dazu mal ein Süppchen, mal ein Kaffee oder Kakao gerade wie ich Appetit darauf habe. Am frühen Nachmittag komme ich schon in Moreuil an. Alles liegt noch im Mittagsschlaf und kaum ist jemand auf der Straße zu sehen. Ich frage nach einem Campingplatz, doch der ist erst auf einem kleinen Umweg von etwa 10 km zu erreichen. Ich entscheide mich dazu, weil die Karte dann für den nächsten Tag eine landschaftlich schöne Gegend durch ein Tal beschreibt.
Allerdings geht es hart gegen den Wind und kräftig bergauf. Wenig später erreiche ich schließlich den schön gelegenen, sauberen Camping municipal von Ailly sur Noye. Er liegt in einem Sport-Freizeit-Zentrum. Künftig, so habe ich mir vorgenommen, werde ich zumindest bei schönem Wetter immer diese recht kostengünstige Übernachtungsmöglichkeit für 5 – 6 Euro nutzen, denn das schmälert meine Reisekasse nicht all zu sehr. Nach einem selbst gemachten Abendessen gehe ich früh zu Bett.
Ein Gedanke zum heutigen Tag: Es ist wie im Leben, auch ein vermeintlicher Umweg führt schließlich zum Ziel und es nicht immer der Schlechteste.